Grenzen und Erziehung - Welche Grenzen braucht mein Kind? Was gehört zur Erziehung dazu?

Grenzen sind in unserer Gesellschaft ein sehr umstrittenes Thema. Es gibt  „alte“ Erziehungsmethoden, in denen Grenzen und Regeln und Strenge eine große Rolle spielen und es gibt den kompletten Gegensatz mit der Antiautoritären Erziehung.

 

Aber wo genau sehe ich mich und was möchte ich für mein Kind? Was will ich mit meiner Erziehung erreichen? Wie soll sich mein Kind sich entwickeln und was für ein Verhältnis schaffe ich damit zwischen meinem Kind und mir?

 

Viele Fragen, die ich gerne ein bisschen für euch erörtern möchte. Ich werde euch zeigen, wie wir mit unserem Sohn umgehen, warum wir das tun, welche Ziele wir damit verfolgen und wie es bei uns abläuft.

 

 

 

Um das ganze etwas von unten aufzuziehen, möchte ich etwas zu dem Begriff Erziehung sagen. Ich selbst stehe etwas zwiegespalten vor diesem Begriff, denn wenn man das Wort genau betrachtet, heißt es, dass wir uns die Kinder so formen, wie wir es gerne wollen. Ich benutze lieber den Begriff begleiten. Ich fühle mich auch nicht sonderlich wohl, wenn man mich Erzieherin nennt. Dieser Begriff, ist mit Sicherheit nicht von jedem so gemeint, allerdings ist er für mich so negativ belastet, dass ich ihn ungern benutze. Kommen wir also zu meinem Zielgedanken, wenn ich mit Kindern zusammen bin, egal ob es nun mein eigenes, oder fremde Kinder sind.

 

Ich wünsche mir für mein Kind, dass es eigene Entscheidungen treffen kann, selbständig sein möchte, eigenständig Dinge hinterfragt, die man ihm erzählt und nicht naiv alles glaubt, sich selbst und anderen gegenüber einen respektvollen Umgang lernt, den Mut hat, seinen eigenen Weg im Leben zu gehen, unabhängig von der Meinung anderer und das wichtigste: ich möchte das mein Kind sich selbst lieben kann.

 

Das alles kann ich nur erreichen, wenn ich ihm einerseits ein Vorbild bin und andererseits natürlich, indem ich mein Kind so behandel, wie ich möchte, dass es auch andere behandelt.

 

Damit mein Kind also eigene Entscheidungen treffen lernt, muss ich ihm die Möglichkeit für eigene Entscheidungen lassen. Das bedeutet für mich, dass auch mein 9 Monate alter Sohn selbst entscheiden darf. Natürlich immer im Rahmen seiner Entwicklung und seiner Möglichkeiten. Bei uns sieht das folgendermaßen aus. Wer meinen Beitrag zum Thema Windelfrei gelesen hat weiß, dass unser Sohn selbst entschieden hat, auf den Topf zu gehen. Das ist für uns nicht immer leicht, aber wir respektieren diese Entscheidung. Aber auch wenn er nicht gehen möchte, ist es für uns in Ordnung. Unser Sohn darf außerdem entscheiden, wann und wie viel er trinken oder essen möchte. Wir trauen ihm zu, dass er merkt, wann er essen oder trinken muss. Allerdings ist dies nur möglich, wenn ein Kind dies schon eine Weile entscheiden durfte. Wenn ein Kind von Geburt an immer alle 4 Stunden die Flasche bekommt, egal ob es Hunger hat, oder nicht, dann wird dieses Kind verlernen sich zu melden, denn es kennt das Gefühl Hunger entweder gar nicht, oder hat gelernt, dass obwohl es nach 2 Stunden vielleicht Hunger hatte, es erst nach 4 Stunden etwas bekommt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten bedeutet also für mich, dass ich meinem Sohn natürlich zwischendurch etwas zu trinken oder zu essen anbiete, denn ich weiß, dass laufen lernen und äußere Eindrücke ihn von dem Bedürfnis nach Essen und Trinken ablenken können, ich respektiere aber auch, wenn er dann nichts möchte. Aber auch bei uns gibt es Grenzen. Ich gebe meinem 9 Monate alten Sohn nicht so viel er will Schokolade, denn er kann noch nicht abschätzen, dass es für ihn gesundheitsschädlich ist. Ich wickel meinen Sohn nach einer bestimmten Zeit, denn ich weiß, dass ihm der rote Po, den er sonst evtl. bekommen könnte, weh tun würde. Aber alle diese Entscheidungen erkläre ich ihm. Ich setze sie nicht mit Gewalt durch, sondern mit Respekt und Erklärungen. Die Regeln, die wir für uns als wichtig empfinden und somit in unserer Familie durchsetzen, sind meistens nicht diskutabel. Sie dienen unserem Sohn als Orientierung.

 

Wichtig finde ich immer wieder zu reflektieren, warum uns diese Regeln wichtig sind. Wenn wir sie uns selbst ausreichend erklären können, können wir sie guten Gewissens durchsetzen und diese Klarheit spürt das Kind. Je klarer wir sind, desto weniger wird unser Kind uns in Frage stellen und versuchen wollen zu diskutieren. Aber selbst wenn, kann unsere Klarheit unserem Kind wieder Struktur und Orientierung bieten. Für mich ist es ein bisschen so zu erklären: Überall im Leben begegnen uns Regeln und Grenzen. Wenn sie uns logisch und sinnvoll erscheinen können wir sie besser akzeptieren.

 

Der nächste Aspekt ist Selbständigkeit. Vieles ist hierbei ähnlich, wie bei den eigenen Entscheidungen. Nur wenn ich mein Kind selbständig sein lasse, wird es das auch lernen. Ein Punkt ist mir allerdings hierbei sehr wichtig. Wenn ich mein Kind zu Selbständigkeit zwinge, wird es keine Freude daran haben. Ich habe dies leider schon sehr oft in der Praxis gesehen. Sowohl, bei ehemaligen Kolleginnen, als auch bei Eltern. Vor allem beim An- und Ausziehen. Auch wenn die Kinder sich theoretisch schon alleine An- und Ausziehen können, brauchen sie doch manchmal unsere Hilfe. Das kann nur ein daneben sitzen sein, oder ein gut zusprechen. Aber nicht nur die körperliche Fähigkeit muss vorhanden sein, sondern auch die psychische Verfassung muss gerade dazu imstande sein, das allein zu machen.

 

Nur wenn ich meinem Kind, meinem Partner, mir selbst aber auch anderen gegenüber respektvoll bin, wird mein Kind dieses Verhaltensmuster erlernen. Und ja auch mir passiert es, dass ich das vergesse. Fehler sind menschlich und ich finde es bei allem wichtig, authentisch zu bleiben. Wenn mir sowas also auffällt, sage ich es meinem Kind. Ich entschuldige mich für mein Verhalten oder ich erkläre, warum ich gerade nicht respektvoll war. Dadurch zeigen wir, dass einem Fehler passieren können, es aber wichtig ist, sich dies auch einzugestehen.

 

Grenzen setzen wir klar auch bei uns selbst. Und das geht oft einher mit Selbstliebe. Es gibt kleine Grenzen wie kneifen oder hauen, und es gibt große Grenzen, die bedeuten, dass wir darauf achten genug zu essen, zu trinken, zu schlafen und auch mal Zeit für uns zu haben. Viele Mamas geben sich für ihr Kind völlig auf. Sie leben nur noch für die Familie und vergessen, auf sich selbst zu achten. Irgendwann kommt der große Knall, eine Depression oder Burnout. Es ist wichtig, in solchen Fällen sich von außen Hilfe zu holen. Denn damit gewährleisten wir, dass wir uns dann wieder gut um unsere Kinder kümmern können. Ihr seid keine schlechten Eltern, wenn ihr euer Kind mal abgebt, um eine Stunde Schlaf nachzuholen. Ihr übernehmt Verantwortung, denn welche übermüdete Mama kann noch mit 100% Aufmerksamkeit bei ihrem Kind sein?!

 

 

 

Abschließend möchte ich sagen, jede Familie muss für sich selbst entscheiden, welche Grenzen und Regeln für sie wichtig und vertretbar sind. Wichtig ist für mich dabei, an einem Strang zu ziehen. Wenn mein Partner und ich uns nicht einig sind, sprechen wir darüber. Mal im Beisein unseres Sohnes, mal ohne ihn. Wir hinterfragen unsere eigenen Regeln immer wieder und ich habe vieler meiner Vorsätze über Bord geworfen, weil sie mir im Alltag sinnlos oder nicht praktikabel erschienen. Ich möchte keine Regeln, weil man das so macht, sondern weil ich sie für wichtig empfinde und sie mir und meiner Familie eine Orientierung und Struktur geben.

 

 

 

Frei nach dem Motto: „3x3 macht sechs wiedewiede wit und 3 macht neune, ich mach mir die Welt, wiedewiede wie sie mir gefällt.“

 

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