Vielen ist der Name Emmi Pikler zwar ein Begriff, genau beschreiben, was es damit auf sich hat, können sie aber nicht. Schon während meiner Erzieher Ausbildung durfte ich erste Erfahrungen machen und habe im Zuge dessen, meine Facharbeit dazu geschrieben. Nach der Ausbildung habe ich dann den Grundkurs zur Pikler Pädagogin in Berlin absolviert und meine Kenntnisse vertieft.
Hier möchte ich euch meine wichtigsten Punkte einmal zusammen fassen und für diejenigen, die es interessiert, werde ich meine Facharbeit als PDF zur Verfügung stellen.
Emmi Pikler, die schon in den 20er Jahren Säuglinge und Kleinkinder als Persönlichkeiten sah, hat im Laufe ihrer langjährigen und engagierten Arbeit mit Säuglingen und Kleinstkindern eine Theorie entwickelt, wie man Kinder von 0 bis 3 Jahren unterstützen und einfühlsam begleiten kann. Einige Details zu Emmi Piklers findet ihr in meiner Facharbeit. Sie war studierte Ärztin für Kinderheilkunde und eröffnete 1946 ein Kinderheim in Budapest. Ihr Schwerpunkt lag darin, jedem Kind ausreichend Zeit für die individuelle Entwicklung zu geben und nicht alle über einen Kamm zu scheren. Sie teilte ihre Theorie in verschiedene Bereiche auf, wie sie heute auch gelehrt werden.
1. Autonome Bewegungsentwicklung und freies Spiel
2. Vorbereitete Umgebung und entwicklungsgerechte Bewegungs- und Spielmaterialien
3. Beziehungsvolle Pflege und soziales Lernen
4. Säuglinge und Kleinkinder untereinander
5. Sprache und Kommunikation
6. Selbst bestimmtes Lernen
7. Die Rolle der Beobachtung
Meine Facharbeit bezieht sich nur auf Punkt 3, die Beziehungsvolle Pflege. Ich würde am liebsten zu allen Punkten einen Einblick geben, dann könnte ich allerdings pro Punkt um die 10 Seite schreiben. Also beschränke ich mich auf die für mich wichtigsten Aspekte und gebe einen Einblick darin, wie ich diese Theorie in meinen Alltag integriere und in meiner Arbeit oder auch mit meinem eigenen Kind umsetze.
1. Autonome Bewegungsentwicklung und freies Spiel
Hierbei geht es darum, dass jedes Kind sich selbständig in seinem eigenen Tempo entwickeln darf. Als Erwachsener bin ich dabei in der Pflicht, auf den Gesundheitszustand zu achten, also eventuelle körperliche Einschränkungen zu erkennen und bei Bedarf behandeln zu lassen. Das können Blockaden sein, die zum Beispiel mit dem Besuch beim Osteopathen in den Griff zu kriegen sind. Wenn es ansonsten aber keine Einschränkungen gibt, dürfen die Kinder sich in ihrem Tempo entwickeln. Das bedeutet in der heutigen Zeit: weg von irgendwelchen Durchschnittswerten der Kinderärzte. Zur Entwicklung gehört ja nicht nur die körperliche Verfassung sondern auch die seelische. Auch daher muss ein Kind in der Lage für den nächsten Schritt sein. Schaue ich mir also meinen Sohn gerade an, muss er nicht nur körperlich in der Lage sein zu laufen, sondern auch den Mut haben aufzustehen und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Manchmal hat er den, manchmal aber auch nicht. Wichtig ist hierbei, dies zu respektieren. Es geht nicht darum, dass ein Kind möglichst schnell alles kann, sondern, dass es jede Phase so ausleben darf, dass jeder neue Schritt nicht zu viel wird.
Aber auch die Konzepte vieler Kindergärten gehen nicht konform mit dieser Theorie. In vielen Kindergärten werden viele Angebote gemacht und viel Programm. Nach außen scheint dies erstmal toll. Es erscheint ein Bild von: Wow, was die alles mit den Kindern machen. Allerdings wird den Kindern hierbei die Selbstbestimmung in vielem genommen. Vielleicht möchte ein Kind lieber den ganzen Tag mit Bauklötzen bauen, oder hüpfen, weil es gerade sein/ihr Thema ist. So ein durchgeplanter Kitaalltag kann da sehr kontraproduktiv sein. Da kann eine Einrichtung mit einem offenen Konzept eine Lösung sein. Letztendlich muss aber auch da individuell geschaut werden. Aber die richtige Kita Auswahl ist ein eigenes Thema (vielleicht schreib ich das mal mit auf meine Liste J).
2. Vorbereitete Umgebung und entwicklungsgerechte Bewegungs- und Spielmaterialien
Darüber hat wohl jede Mama schon einmal nachgedacht. Was braucht mein Kind eigentlich gerade zum Spielen? Wie viel braucht es und was ist gerade überflüssig?
Diese Fragen kann man pauschal nicht beantworten. Aber es gibt Phasen, die bei den meisten Kindern auftreten. Wichtig beim Spielmaterial ist, dass es die Kinder nicht überfordert, aber einen Anreiz schafft um etwas Neues zu lernen, wenn sie dazu bereit sind. Hier ein paar Phasen im Überblick, allerdings absichtlich ohne Altersangabe, denn das kann stark variieren.
· Sammeln (es wird viel gesammelt, das kann viel von einer Sache oder viel von einer Farbe oder einer Form sein)
Hierbei ist es wichtig, dass ausreichend da ist, was gesammelt werden kann um dem Drang nachzukommen.
· Sortieren… man kann sich schwer vorstellen, welche Kategorien Kinder alles finden können um zu sortieren. Das muss für uns nicht logisch sein, für die Kinder hat es einen Sinn und den sollten wir durch ein: „das gehört aber so“ nicht kaputt machen.
· Schütten, umfüllen, stecken … rein, raus, hoch, runter – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist darauf einzugehen. Schafft Situationen, in denen die Kinder auch mal Wasser hin und her kippen können, dann machen sie es am Tisch vielleicht nicht so viel ;-) Habt ihr genug leere Gefäße, die gefüllt und ausgelehrt werden können? Bei uns Zuhause gibt es zum Beispiel leere Flaschen, leere Joghurt Becher oder Schüsseln. Zum befüllen haben wir momentan noch Korken. Wenn unser Sohn nicht mehr alles in den Mund steckt, können auch kleinere Dinge dazu kommen. Ungekochte Nudeln oder auch Reis und Linsen lassen sich gut kippen.
Zum Stecken gibt es ganz tolle Steckspiele unter anderem gefällt mir besonders gut das von der Basisgemeinde (www.holzspielgeraete.basisgemeinde.de/holzspiel/steck-und-sammelspiel)
· Bewegungsabläufe erlernen
Je nachdem wie alt das Kind ist, sind manchmal auch das erlernen von zum Beispiel Robben, Krabbeln oder Laufen das wichtigste. Dafür können Anreize auf unterschiedlichen Höhen geschaffen werden. Unser Sohn übt gerade Laufen und möchte überall ran kommen, wo er gerade ankommt. Alles was auf dem Boden liegt ist erstmal uninteressant.
Bevor ein Kind krabbeln lernt ist es zum Beispiel hilfreich, wenn es schon unterschiedliche Höhen und Tiefen erfahren hat. Wir haben dazu im Kinderzimmer eine Matratze zum spielen und kuscheln. Unser Sohn ist da schon rauf und runter gerobbt und konnte so lernen, wie man am sichersten rauf und runter kommt, ohne einer größeren Gefahr ausgesetzt zu sein.
3. Beziehungsvolle Pflege und soziales Lernen
Die Pflege hat es mir besonders angetan, denn ich durfte erleben wie Kinder sich verändern, wenn sie eine beziehungsvolle Pflege erleben. Dazu muss ich kurz ausholen. Ich habe in einer Krippe gearbeitet und durfte dort meine Erfahrungen zu Emmi Piklers Pflege weiter geben und mit meinen Kolleginnen in unsere Arbeit integrieren. Ein Aspekt, der für alle sehr beeindruckend und schön in Erinnerung geblieben ist, ist die Tatsache, dass alle Kinder unserer Gruppe (im Alter von 0-3 Jahren) und vereinzelt auch ältere Kinder, freiwillig und gerne mit zum Wickeln gegangen sind. Sowohl die Kinder als auch wir haben diese Situationen genossen und davon sehr profitiert. Wir haben die Kinder in ihren Spielsituationen auf das anstehende Wickeln vorbereitet und sie nicht aus dem Spiel gerissen.
Das Wickeln selbst funktioniert nach Emmi Pikler immer gleich. Es gibt einen klaren Ablauf. Alles was man am Kind tut wird angekündigt und zwar auch schon dem Neugeborenen. Die Handgriffe sind immer gleich, zum Beispiel wird beim Hose ausziehen zuerst das linke Bein genommen, bleibt es so und wird in Zukunft immer so sein. Die Kinder haben so die Möglichkeit, schon sehr früh mitzuhelfen in ihren Bewegungen, da sie wissen, was als nächstes passiert. Die Kinder fühlen sich dadurch ernst genommen und nicht übergangen. Das Wickeln ist eine 1:1 Situation. Es werden währenddessen keine Gespräche mit anderen Personen geführt, es sei denn, man kündigt genau dies beim Kind an und unterbricht den Wickelprozess. Weiter ins Detail gehe ich an dieser Stelle nicht, denn es steht für diejenigen, die es noch genauer wissen wollen in meiner Facharbeit.
4. Säuglinge und Kleinkinder untereinander und unsere Rolle als Erwachsene
Kinder lernen voneinander und miteinander ganz viel. Eltern mit mehreren Kindern wissen das. Auch in den Kitas habe ich genau das gesehen. Kinder nehmen sich nicht nur uns Erwachsene als Vorbild sondern auch die anderen Kinder. Wichtig ist aber auch, dass wir sie diese Erfahrungen machen lassen. Dürfen Kinder Konflikte untereinander austragen, oder greifen wir jedes Mal ein. Pikler sagt ganz klar, dass Kinder auch Konflikte untereinander austragen dürfen sollten. Natürlich nicht unbeaufsichtigt und somit allein, sondern unter Beobachtung, so dass wir als Erwachsene unter Umständen und eben falls benötigt, Hilfestellung leisten können. Trotzdem erlebe ich sehr häufig, dass Eltern ihre Kinder bevormunden und diese gar nicht selbst entscheiden lassen, ob eine Situation gerade in Ordnung ist oder nicht. Gerade bei Säuglingen ist oft zu beobachten, dass Eltern andere Kinder nicht über sie Krabbeln lassen. Somit hat der Säugling zum einen nicht die Chance diese Situation zu erleben, zum anderen auch nicht die Chance zu zeigen, wenn es ihm zu viel wird. Der Säugling lernt, es wird für ihn entschieden und er braucht sich nicht zu Wort melden. Später dann, weiß er nicht, wie er sich äußern darf oder meldet sich gar nicht, sondern lässt alles über sich ergehen. Beides ist keine Vorstellung, die mir für mein Kind gefällt.
Wir als Erwachsene sollten immer aufmerksam sein um die Kinder bei Bedarf zu begleiten, nicht jedoch sollten wir jede Handlung kommentieren und beeinflussen.
5. Sprache und Kommunikation
Emmi Pikler hat eine genaue Vorstellung davon, wie wir mit unseren Kindern sprechen sollten, um sie frei zu lassen und nicht mit jedem Satz zu beeinflussen. Wir wissen selbst aus unserer Kindheit, dass man sich bis heute daran erinnert, ob man gelobt wurde. Pikler sieht Lob sehr kritisch, denn sie sagt, dass Kinder anfangen Dinge zu tun, um ein Lob der Eltern zu bekommen, nicht aber, weil sie es selbst gern wollen. Natürlich dürfen wir uns freuen, wenn uns etwas gefällt. Manchmal reicht es aber vielleicht auch zu sagen, was wir sehen. Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung Zuhause: Unser Sohn bewegt sich viel und lernt gerade laufen. Ich möchte, dass er läuft weil er es will und nicht um mir zu gefallen. Ich versuche daher nicht jedes Mal zu sagen „toll machst du das“ sondern auch einfach freudig zu sagen „du läufst“. Auch ich lobe mein Kind, denn für mich ist gar kein Lob auch irgendwie komisch, aber ich bemühe mich, diese Freude zum Beispiel auch zu haben, wenn er krabbelt. Gerade die Sprache von Emmi Pikler ist sehr schwer in Worte zu fassen. Und hier in ein paar Sätzen eigentlich nicht zu erklären. Es gibt aber tolle Bücher dazu und ihr dürft bei speziellen Fragen auch gerne eine Nachricht schreiben.
6. Selbstbestimmtes Lernen
Wie ihr wahrscheinlich merkt, hängen alle Punkte natürlich stark miteinander zusammen. Von daher würde sich hier viel von meinem bereits geschriebenen wiederholen. Deshalb fasse ich nochmal kurz zusammen: Selbstbestimmt lernen bedeutet, selbst entscheiden zu dürfen, wann man bereit ist den nächsten Schritt zu gehen und sich mit etwas Neuem auseinander zu setzen, sowohl das Thema frei zu wählen, als auch das Tempo, indem man lernt. Vertraut darauf, dass jedes Kind lernen möchte. Wichtig dabei ist, sie entwicklungsentsprechend zu begleiten. Macht euch nicht verrückt, weil irgendjemand gesagt hat, euer Kind ist nicht normal. Keiner ist normal, denn wir sind alle einzigartig.
7. Die Rolle der Beobachtung
Beobachten ist unglaublich wichtig. Wir beobachten unsere Kinder um zu erfahren, was sie brauchen, welche Themen gerade interessant sind, um ihnen Spielmaterialien zur Verfügung zu stellen. Außerdem beobachten wir, ob gesundheitlich alles in Ordnung ist. Wir beobachten ihr Verhalten, um sie angemessen begleiten zu können und wir beobachten ihr können, um ihnen zu sagen, dass wir es gesehen haben und stolz auf sie sind.
Eine Beobachtung wird leider oft vergessen: Das Beobachten von unserem eigenen Verhalten. Selbstreflektion ist das A und O für eine gute Beziehung zu unserem Kind. Denn nur wenn ich mich selbst und mein Verhalten beobachte, kann ich darüber nachdenken, ob ich „richtig“ oder angemessen gehandelt habe und kann dementsprechend mein Verhalten beibehalten oder eben auch ändern.
Ich habe mit meinem Partner eine Vereinbarung getroffen: wir beobachten uns gegenseitig, damit wir uns Rückmeldung holen können. Wichtig ist hierbei Kritik äußern zu können, ohne dass der andere sich sofort persönlich angegriffen fühlt. Auf der anderen Seite sollte man darauf achten, wie man Kritik äußert, um sein Gegenüber nicht zu verletzen.
Fazit:
Ich bewundere Emmi Piklers Ansatz und kann vieles in meinen Alltag integrieren. Einige Sachen habe ich so verinnerlicht, dass ich sie schon automatisch mache, an andere Sachen muss ich mich manchmal selbst erinnern. Einige Aspekte möchte ich vielleicht auch nicht übernehmen. Wie bei jeder Theorie muss jeder für sich entscheiden, ob es in sein Leben passt und zu den eigenen Vorstellungen. Sich zumindest mal anzuschauen, welche Wege es noch gibt und sich dann bewusst für seinen ganz eigenen zu entscheiden, finde ich persönlich wichtig. Also kann ich nur sagen: toll, dass ihr euch für Emmi Piklers Ansatz interessiert und viel Spaß beim überlegen, was für EUCH der richtige Weg ist.
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Conny STOSS (Dienstag, 27 Februar 2018 16:01)
Dürfte ich mir bitte deine Facharbeit einmal durchlesen?
Zwergenleben (Donnerstag, 15 März 2018 14:12)
Liebe Conny,
Meine Facharbeit ist als Datei angehängt. Falls du sie dennoch nicht lesen kannst, schreibe mir doch gerne eine E-Mail an: miyu.annik@gmail.com, dann kann ich sie dir gerne nochmal zuschicken.
ANTJE BODEN (Donnerstag, 10 Januar 2019 20:12)
Hallo, würde mir gerne deine Facharbeit mal durchlesen, falls du sie noch hast. Danke im voraus.
E-Mail: annymausi-84@hotmail.de